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die zahl hallt dauerhaft in mir nach. Sie machte mich sprachlos, was so oft nun auch wieder nicht vorkommt. Wir sind seit 37 Jahren verheiratet und seit 40 Jahren ein Paar. Es ist nicht die Tatsache als solche die mich so packt. Das hätte ich mir jederzeit und überall nachrechnen können. Doch plötzlich, am elterlichen Küchentisch trat sie mir mit voller Wucht auf die Füsse, die doch grade so empfindlich waren. Groß und fett fletzte sie sich vor mich hin und hauchte mir mit üblem Atem entgegen: "Dich Wicht, Du machst Dir ja keine Vorstellung, davon, was das bedeutet!"

Geht das denn? Kann man denn 37 Jahre jeden Tag den selben Menschen um sich herum ertragen, ja mehr noch, achten und lieben? Ist das Liebe? Oder ist das nur ein Akt der Gewöhnung, des Arrangements? Was passiert mit einem Menschen, wenn aus einem ICH ein WIR wird. Was ist mit dem, was sich so keck als Idividualität nennt. Wie niveliert müssen zwei Menschen sein, damit sie so lange zusammenpassen? Entwickelt man sich auch im Singular weiter oder nur noch im Plural? Kann man nach so langer Zeit am anderen noch Neues entdecken? Ja ist es überhaupt möglich, dass der ander Neues entwickeln kann. Was ist mit den Ecken und Kanten, wenn man die nicht bewußt kultiviert, dann gibts die doch bald nicht mehr. Nach außen nicht mehr und in der Innenbeziehung schon gleich gar nicht mehr.

Kann man sich so sehr lieben, dass man in all der Zeit einander nicht langweilig wird? Geht sowas denn überhaupt oder entwickelt man doch eher ein Zweckbündnis, in dem die Aufgaben verteilt und die Claims abgesteckt sind, in dem Abhängigkeiten den Klebstoff der Zusammengehörigkeit ausmachen.

Als außerordentlich liebevoll habe ich den Umgang meiner Eltern miteinander nie empfunden. Und doch hat das so lange gehalten. Gab es denn nie fundamentalen Streit? Meinungsverschiedenheiten grundsätzlicher Art? Ich frage mich, ob es denn wirklich immer richtig ist, aus jedem Tief wieder gemeinsam heraus zu kommen. Oder haben die beiden sich Ihr wahres Glück durch diesen Zusammengörigkeitszwang nur verbaut. Was ist GLÜCK in diesem Zusammenhang? Sind sie glücklich? Und ist dieses Glück ein relatives oder absolutes?

Hört man in solch einem Fahrwasser irgendwann auf zu suchen? Ich meine nicht die Suche nach anderen Partnern. Ich meine die Suche nach Neuem, nach eigener Veränderung. Wie geht es wohl, die Veränderungsgeschwindigkeiten zweier Menschen derart zu syncronisieren. Führt das nicht zwangsläufig dazu, sich darin zu verlangsamen ... die Neugierde zu verlieren?

Ich habe einmal sieben Jahre in einer Beziehung gelebt. Mit dem Mindset meiner Eltern wäre daraus wohl eine, nun schon mehrjährige Ehe entsprungen. Rückblickend sehe ich, was ich ich verpasst habe und hätte. Ich hätte mich um vieles gebracht, was mich heute ausmacht. Mittlerweile pflege ich zu diesem Menschen eine tolle Freundschaft. Eine Freundschaft, die gerade durch diese sieben Jahre nicht einfach aber besonders tief ist. Viele Jahresbeziehungen danach zeigten, Persönlichkeitsentwicklung und -veränderung fand irgendwie immer in der Zwischenzeit statt. Bringt man sich in 37 Jahren nicht um solche Entwicklungsschübe?

Ich bin mir nicht sicher, ob meine Sprachlosigkeit von der Unfassbarkeit einer 37 jährigen Konstanz, die sich riesig und irgendwie bedrohlich über mein 30 jähriges inkonstantes Leben erhebt, herrührt. Oder veilleicht doch nur aus einem puren Neidgefühl heraus, einen Menschen, mit dem dies möglich ist, noch nicht getroffen zu haben.
Oder war es einfach eine unterbewusste Gestes des Anstandes, ihnen nicht mit dem Arsch ins Gesicht zu springen und zu brüllen, dass sie langweilig sind und ich mein Leben voller Extreme und Abwechslungen, voller hoher Höhen und tiefer Tiefen, ohne Abhängigkeiten und ohne Verbindlichkeiten in vollen Zügen genieße und mich nie, nie, nie mit einem "ganz okay" einem Platz im Mittelmaß zufrieden geben möchte!!!!!
schnatterliese meinte am 30. Sep, 20:03:
eigentlich
aus meiner eigenen sicht und erfahrung, bin ich der meinung, ich sollte hier nicht nicht nicht kommentieren. dennoch. sie haben recht mit ihrer konklusion, bestimmte dinge nicht zu tun oder beizubehalten. macht sich nichts, dass es nicht gehen kann, schon wirklich keinen unterschied, nur, dass mir da mein komplettes spektrum an imagination wegknallt.

ich finde, verbleiben im 'es geht' ist das beängstigenste was ich mir vorstellen kann. ich hab mich in dem zusammenhang mal als thrill-junkie bezeichnet.

ich könnte nicht sagen, dass ich auf gleichmaß leben wollte oder könnte.

hammer oder, zu merken, was andere durchziehen, wider oder mit besserem wissen? 
dangerfunker antwortete am 30. Sep, 20:14:
ich hab mal folgendes gelesen:
"wer nicht denkt, hat es leicht treu und glücklich zu sein" So richtig das mit Sicherheit sein mag, so falsch ist es wohl, all denjenigen, die sich im Mittelmaß häuslich einrichten, fehlendes Denken unterzujubeln. Aber dennoch stellt sich die Frage, wie sich dieses Glück anfühlt und wie mit Vermissenserlebnissen umgegangen wird ... oder gibts die gar nicht? Und ist es so weniger intensiv nicht in Summe auch leichter? In den hohen Höhen fragt man sich das sicher nicht, in den tiefen Tiefen kann man aber gelegentlich schon etwas Neid auf diese Grundzufriedenheit entwickeln. 
schnatterliese antwortete am 30. Sep, 20:31:
nein
nicht fehlendes denken, nie fehlendes denken. aber eine form der duldung, die mir fremd ist. ich glaube, es gibt menschen, die finden früher oder später ihr gegenstück und trotzdem ist beziehung arbeit. oft schwer. und ich will niemandem irgendein denkfreies dulden andichten. ich bin - wie gesagt ich hätte das maul halten sollen - betroffen.

sagen viele, mach anderes nicht zu deinem. hab ich, in diesem fall. scusi. 
dangerfunker antwortete am 30. Sep, 20:41:
Naja,
Hauptsache Glück ... mal mehr mal weniger!